Ein Blog von Christine Felsinger
mit Fotos von Felix Knaack

Das Wärm-und-Weck-Training im Schritt

Gönnen Sie Ihrem Pferd 20 gesunde Schritt-Minuten!

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Das Pferd schreitet fleißig, die Reiterin begleitet die Vorwärtsbewegung mit federnder Hand. Das Pferd schreitet fleißig, die Reiterin begleitet die Vorwärtsbewegung mit federnder Hand. Foto-Copyright: Sibylle Wiemer

Jeder gute Ritt beginnt im Schritt. Entweder am hingegebenen oder am langen Zügel, mindestens 15, besser 20 Minuten. Denn Gelenke, Bänder, Sehnen, Muskeln und auch die Psyche bereiten sich im flüssigen, aktiv gerittenen Schritt auf die bevorstehende Powerleistung beim Reiten vor.

Wir betonen: aktiv. Denn oft sieht man Pferde dahin schleichen, während ihre Reiter sich beim Rundendrehen warm plaudern oder sich aufmerksam gegenseitig in der Halle studieren, korrigieren, kritisieren. Dieses Schlurfplaudern nützt nichts. Im Gegenteil: Bei kleinen, monotonen Schritten wärmt sich kein Pferd auf, und ein unkonzentrierter Reiter kann auch von seinem Pferd keine Motivation erwarten.

Thermografie-Aufnahme einer 9-jährigen Warmblutstute nach zwei Stunden Boxen-Ruhe und 10 Minuten Schrittreiten. Die Bein-Temperatur beträgt 25,2 Grad Celsius.

Thermografie-Aufnahme einer 9-jährigen Warmblutstute nach zwei Stunden Boxen-Ruhe und 10 Minuten Schrittreiten. Die Bein-Temperatur beträgt 25,2 Grad Celsius. Foto-Copyright: Pferdethermografie Marco Jentsch

Thermografie-Aufnahme einer 9-jährigen Warmblutstute nach zwei Stunden Boxen-Ruhe und 20 Minuten Schrittreiten. Die Bein-Temperatur beträgt 28,7 Grad Celsius.

Thermografie-Aufnahme einer 9-jährigen Warmblutstute nach zwei Stunden Boxen-Ruhe und 20 Minuten Schrittreiten. Die Bein-Temperatur beträgt 28,7 Grad Celsius. Foto-Copyright: Pferdethermografie Marco Jentsch

Die Fotos von Pferdethermograf Marco Jentsch zeigen, dass 10 Minuten nicht reichen, um die Pferdebeine wirklich aufzuwärmen. 20 Minuten sollten es idealerweise sein. Eine ziemlich lange Zeit, bei der wir uns fragen müssen:

Wie reiten wir den Schritt so, dass er aufwärmt und aufweckt?

Unser Wärm- und Weck-Programm für den Reiter

Reiter sind eigentlich die Sportler, die sich am wenigsten um sich selbst und die eigene Fitness kümmern. Sie finden das Stall ausmisten und Pferd striegeln zum Aufwärmen meist als völlig ausreichend. Leider stimmt das nicht: Die Beweglichkeit, die wir als Reiter brauchen, um losgelassen mitschwingen zu können, wird so gar nicht trainiert. Von Fitness, Muskeltraining und Figurformung ganz zu schweigen.

Unser Tipp: Wir nutzen einfach den Schritt zum Aufwärmen. Geht ganz easy: Bewegen Sie während des Schrittreitens alle Gelenke. Ja, alle! Und zwar in alle möglichen Richtungen. Bedenken Sie: Schulter- und Hüftgelenke sind Kugelgelenke und lassen sich nach anfänglichen Schwierigkeiten wirklich in alle Richtungen bewegen.

Und wenn im Winter die Kälte an den Beinen hoch kriecht, können wir uns zusätzlich auch beim Pferd führen aufwärmen: Laufen Sie vorwärts, rückwärts und seitwärts, gehen Sie auf den Zehenspitzen, auf den Absätzen, mit Zehenspitzen nach innen oder nach außen, auf den Außenkanten oder auf den Innenkanten der Füße.

Das wichtigste Ziel: Langeweile vermeiden, Abwechslung schaffen!

Unser Wärm- und Weck-Programm fürs Pferd

Reiten Sie den Schritt abwechslungsreich und anspruchsvoll. Haben Sie stets einen Plan im Kopf und ein Ziel vor Augen. Machen Sie ein inneres Bild, wie Ihr Pferd sich anfühlen soll, nachdem es sich geschmeidig warmlaufen konnte.

Die Reiterin nutzt die Biegung, um den Schritt zu verkürzen. Das gelingt gut, und das Pferd tritt trotzdem ausreichend unter.

Die Reiterin nutzt die Biegung, um den Schritt zu verkürzen. Das gelingt gut, und das Pferd tritt trotzdem ausreichend unter. Foto-Copyright: Sibylle Wiemer

Hier sind einige Inspirationen, wie wir dieses Ziel erreichen. Es gibt natürlich unendlich viele Möglichkeiten, aber diese sind besonders wirksam, und jeder Reiter kann sie umsetzen:

+ Variieren Sie mehrfach auf einer Hallenrunde das Tempo und die Länge der Schritte.

+ Lenken und biegen Sie das Pferd am hingegebenen Zügel, nur über Ihren Sitz und Ihre innere Vorstellungskraft. Das ist eine echte Herausforderung, aber es schult die feine Abstimmung und Dosierung aller Hilfen mit Ausnahme der Zügelhilfen ungemein. Und es macht Sie beim Reiten viel unabhängiger vom Zügel!

+ Legen Sie an Tempo zu und fangen Sie das Tempo wieder ein. Verkürzen Sie die Schritte bis fast zum Stehen. Testen Sie dabei, wie flott Ihr Pferd schreiten kann, ohne anzuzackeln oder anzutraben. Schieben Sie das Pferd dabei aber bitte nicht an wie eine Schaukel; denn dabei werden sie beide bloß steif.

+ Biegen Sie Ihr Pferd nach innen oder nach außen.

+ Wechseln Sie häufig die Hand und die Richtung.

+ Reiten Sie Schlangenlinien jeder Art einhändig, das ist eine fantastische Schulung der Hand!

+ Variieren Sie die Kopf-Hals-Positionen beim Pferd. Wechseln Sie dabei zwischen hingegebenem und langem Zügel, später auch zwischen langem und aufgenommenem Zügel. Das wärmt ideal die Hals- und Schultermuskulatur auf! Und weil die Wirbelsäule wie ein Zahnradmodell arbeitet, wird sich folglich auch die Schrittlange verändern: Ihr Pferd wird zu schreiten beginnen.

+ Mit zunehmendem Ausbildungsstand können Sie im Schritt Paraden zum Halten, Seitengänge oder das Rückwärtsrichten dazu nehmen, bevor Sie nach Abschluss der Schrittphase mit dem Trab oder Galopp beginnen.

War das langweiliges Rundendrehen und Schleichen? Na also. Seien Sie einfach kreativ, Ihr Pferd freut sich.

Reitlehrerin Sibylle Wiemer bildet Pferde und Reiter auf jedem Niveau aus. Sie lebt in Fintel bei Hamburg.

Reitlehrerin Sibylle Wiemer bildet Pferde und Reiter auf jedem Niveau aus. Sie lebt in Fintel bei Hamburg. Foto-Copyright: Bokelmann

Hier sehen Sie auf einen Blick, warum Warmreiten wirklich 20 Minuten dauern sollte

Thermografie beweist: Warmreiten dauert 20 Minuten

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Weitere Infos auf Sibylle Wiemers Website

 

 

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