Ein Blog von Christine Felsinger
mit Fotos von Felix Knaack

7 Spieler-Typen: Ist mein Pferd ein Gameboy?

Von Läufer bis Kicker: Das beobachten Verhaltensexperten beim Pferdespiel

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Laufen, Buckeln, Fressen: Fohlen erproben auf der Weide spielerisch, was sie fürs Pferdeleben brauchen. Laufen, Buckeln, Fressen: Fohlen erproben auf der Weide spielerisch, was sie fürs Pferdeleben brauchen.

Pferde lieben es, zu spielen. Vor allem die Jungs unter den Pferden, also Hengste und Wallache, spielen je nach Typ und Haltung den lieben langen Tag. Sie sind echte Gameboys, denn das ist in ihren Genen verankert und gehört zur Pferde-Natur wie das Fressen. Deshalb ist Spiel nach Auffassung der meisten Verhaltensforscher lebenslang ein wichtiger Baustein beim Lernen und Wohlfühlen. 

Auf spielerische Art und Weise erkunden Pferde die Welt: Schon Fohlen und junge Pferde lernen, wie man die ersten Grashalme zupft, mit unbekannten Dingen in der Umgebung zurecht kommt, sich mit den Kumpels in der Herde arrangiert und seinen Platz in der Hierarchie erkämpfen kann. Doch je nach Charakter, Alter, Geschlecht und Körperbau bevorzugen Pferde unterschiedliche Spiele. Die einen kraulen Mähnen, die anderen jagen sich über die Koppel, die dritten buckeln gern allein vor sich hin. Dazwischen leben Superhirne, die nur ein Spiel vom Dösen und Fressen abhält: Tore knacken.

Hier sind die 7 auffälligsten Spiel-Typen unserer Pferde

Der Läufer

…spielt in der Herde am liebsten Fangen und Jagen. Sucht im Training sein Heil in der Flucht oder explodiert bei Überforderung. Laufen ist Lieblingsspiel der Fohlen. Bei Erwachsenen zeigen Stuten es häufiger als Wallache oder Hengste. Kommt bei langbeinigen Rassen wie Warm- oder Vollblütern öfter vor als bei kurzbeinigen. Solche Pferde neigen dazu, Gas zu geben, wenn ihnen etwas Angst oder Unwohlsein einflößt. In der Ausbildung solcher Läufer-Typen ist es deshalb wichtig, dass sie ihren Körper in den Griff bekommen und langsamer werden statt schneller. Besser, diese Pferd erst einmal eher untertourig auszubilden, etwa an der Longe langsam zu starten. Auch beruhigende Stimmhilfen helfen, die Läufer zu bremsen.

Der Skeptiker

… hält sich eher abseits auf und geht dem Spiel ebenso aus dem Weg wie dem Streit. Er ist im Training of schwer zu motivieren. Oft sind das Pferde, die isoliert aufgewachsen sind, nur einen Spielpartner hatten oder jahrelang in Boxen lebten. Pferde, die lange in gut gemanagter Gruppenhaltung leben, spielt nach Beobachtung von Offenstallbetreibern häufiger, geschickter und auch fairer. Bei diesen Pferden artet Spiel seltener in Aggression aus.

Der Parker

… senkt als erster den Kopf zum Fressen, wenn es auf die Koppel geht. Lässt sich selten auf Rennereien ein und geht auch im Training ungern einen Schritt freiwillig. Solche Spiel-Typen kriegt man über Laufspiele nicht gut motiviert, weil sie daran keine Freude haben. Parker finden sich häufiger bei schwereren Rassen wie Tinkern, Haflingern, Kaltblütern oder auch Westernpferden vom alten Schlag. Parker-Typen lassen sich gut motivieren mit Spielen, die im Stehen stattfinden. Dafür eignen sich Zirkustricks wie Knien, Sitzen oder Liegen.

Der Kicker

…spielt mit allem, was ihm vor Füße und Nase kommt und sich bewegen lässt. Im Paddock treibt er Spielbälle vor sich her, schleudert Äste und ergatterte Halfter durch die Luft, wirft Eimer um. Hat meist Talent zum Pferdefußball, bei dem zwei Teams einen großen Gymnastikball jagen und ins Tor bringen müssen. Es gibt sogar Kicker, die sich im täglichen Ballspiel die Dehnungshaltung beibringen, indem sie den Ball mit gesenktem Kopf vor sich her treiben und so spielerisch lernen, im Vorwärts-abwärts durch den Körper zu schwingen. Davon kann man in der Ausbildung profitieren.

Der Rempler

… zwickt, rempelt und steigt jeden an, der im Weg steht. Ob Pferd oder Mensch. Kommt häufiger bei Wallachen und Hengsten vor, seltener bei Stuten. Für unsichere Pferdebesitzer ist der Rempler heikel, weil man ihm klare Grenzen setzen muss. Bei Stallkollegen sind Rempler unbeliebt, weil sie Verletzungen ihrer eigenen Pferde fürchten. Da hilft eine Portion Gelassenheit. Pferdespiel ist hartes Spiel, und wir Menschen denken oft, dass die Grenze zum Kampf überschritten ist. Aber was für uns wie bitterer Ernst wirkt, ist für die Pferde meist noch Spiel. Wenn die Gruppe sich gut kennt, passiert dabei nichts Gravierendes, denn die Rangniedrigen steigen meist rechtzeitig aus, bevor es zu Verletzungen kommt. Nur beim Eingewöhnen neuer Pferde in die Herde kippt Spiel schneller in Ernst. Um Blessuren an Körper und Seele zu vermeiden, ist es deshalb gut, Pferde behutsam in die Gruppe zu integrieren; etwa über eine gewisse Zeit in der Eingewöhnungsbox.

Der Klempner

… oft baugleich mit dem Typ Parker. Spielt leidenschaftlich alles, was sich mit Köpfchen statt mit Kraft erledigen lässt: Türschlösser knacken, Tränken zerlegen, Zäune plattmachen. Im Umgang können Klempner ziemlich nerven, weil sie gerne zwicken und in Hosentaschen stöbern. Auch Klempner finden sich häufiger in der Männerwelt, also bei Hengsten und Wallachen. So beobachten Verhaltensforscher auch bei Pferden in halbwilder Haltung die typischen Klempner-Attribute: Da betrachtet sich etwa ein Przewalski-Leithengst intensiv alle Tore, und macht sie dann auf. Oder nimmt Zäune auseinander, um seinen Kopf durchzustecken und seine Stuten besser zu sehen. Ob sich der Spieltrieb der Klempner mit Objektspielen, also mit Stöckchen, Bällen oder ähnlichem Spielzeug kanalisieren lässt, ist noch nicht wissenschaftlich geklärt, einen Versuch wäre es wert.

Der Souveräne

… ist meist ranghoch in der Herde. Er toleriert gutmütig, wenn etwa Jungpferde mit ihm spielen wollen, steigt bereitwillig ins Spiel ein und lässig wieder aus. Hat eine hohe Reizschwelle, das heißt: So schnell kippt bei ihm kein Spiel in Ernst. Verhaltensexperten unterscheiden hier zwischen sicheren Ranghohen, die so souverän reagieren. Und unsicheren Herden-Chefs, die nicht ganz so gelassen spielen, sondern schneller aggressiv werden. Die findet man meist in Ställen, in denen Pferde nur stundenweise zusammen auf die Koppel dürfen. Auch wenn dauernd der Mensch in die Pferde-Hierarchie eingreift, bei Streit sofort dazwischen geht, einige Pferde bevorzugt füttert oder Pferde bei Auseinandersetzungen zeitweise aus der Gruppe nimmt, fördert er damit unsichere Ranghohe, denen es an Souveränität mangelt.

Mini-Interview: Sollen wir Pferde mit Spielzeug zum Spielen motivieren?

Diese Frage ist spannend, und es gibt darauf leider noch kein klares “Ja, bitte auf jeden Fall” oder “Nein, denn das bringt nichts”. Das Anbieten von Spielzeug in Box oder Paddock zählt aus Sicht der Verhaltensexperten zur Kategorie “Objektspiel” bei Tieren. Ich habe diese Frage im Lauf der Jahre schon einigen Verhaltensforschern in aller Welt gestellt, und ganz aktuell habe ich Katherine Albro Houpt per Mail mit dieser Frage konfrontiert. Katherine ist eine der “Grandes Dames” der Pferdeverhaltensforschung, sie forscht und lehrt an der Cornell University in den USA. Ich lernte sie vor einigen Jahren bei einem Kongress kennen, und zwischen uns hat sich aktuell ein netter kleiner Mailwechsel zum Thema Spiel entwickelt. Einen ersten Auszug lest ihr unten, weiter geht es dann in meinen nächsten Blog-Artikeln zum Thema Spielverhalten.

Dabei wird auch ein Selbstversuch mit unseren Pferden im Offenstall sein, denn ich habe von meinem Blog-Partner Waldhausen einige Spielgeräte zum Testen bekommen, in denen Futter und Spielzeug kombiniert sind. Hersteller ist die Firma Likit, die Toys für Pferde schon einige Jahre anbietet und inzwischen eine kleine Palette davon entwickelt hat. Es gibt viele Pferde, die sich damit zumindest zeitweise gerne beschäftigen, bei meinem Pferd habe ich es noch nie ausprobiert und bin deshalb neugierig, wie es funktioniert. Wichtig war mir, zuerst einmal eine Wissenschaftlerin zu konsultieren, wie sie die Sache sieht. Katherine ist dafür prädestiniert, weil sie mit Likit-Equipment bereits bei koppenden Pferden geforscht hat. Koppen und Krippensetzen sind, wie wir heute wissen, wiederkehrende Verhaltens-Stereotypien, mit denen Pferde Stress abbauen.

Katherine, kann Spielzeug Pferden helfen?

“Ich bin nicht sicher, dass Spielzeug Stress reduziert, aber Pferde mögen die Likit-Toys auf jeden Fall. Auch wenn sie tatsächlich eher Futterquelle als Spielzeug sind. Ein Pferd kann die Lecksteine darin recht schnell aufessen, wenn es sie aus Versehen zwischen die Zähne bekommen sollte. Das verschafft dem Pferd in diesem Moment ein Vergnügen. Wir haben herausgefunden, dass der “Tongue Twister” geholfen hat, das Krippensetzen bei Boxenpferden zu reduzieren; wahrscheinlich, weil das Pferd daran nur leckt, nicht beißen und kauen kann. So hält er länger.

Welches Spielzeug würden Sie empfehlen?

Bälle, die Futter spenden, sind gut. Das Verhalten, zu dem sie Pferde animieren, ist Grasen. Auch Spiegel interessieren manche Pferde. Nach meiner Erfahrung benutzen vor allem männliche Jungpferde Spielzeug gern. Einige Pferde mögen große Bälle. Wichtig ist, dass wir Spielzeuge nicht einfach benutzen, um Missstände in der Haltung der Pferde zu überdecken. Genügend Auslauf ist besser als jedes Spielzeug.

Test-Kit: So sieht eines der Likit-Toys aus, das wir im Blog diesen Sommer ausprobieren.

Test-Kit: So sieht eines der Likit-Toys aus, das wir hier im Blog diesen Sommer ausprobieren.

Durchschauen wir das Pferde-Spiel: Hier geht’s zu den 3 goldenen Spiel-Regeln und 100 Spiel-Tipps meiner Verhaltens-Experten! 

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