Ein Blog von Christine Felsinger
mit Fotos von Felix Knaack

Warum wir nicht sehen, dass unser Pferd dick ist

Über den Zusammenhang zwischen Pferdefigur und Gesundheit.

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Pferdetierarzt Michael Oberthür Pferde-Tierarzt Michael Oberthür, Spezialist für orthopädische Probleme und Rehabilitation.

Eine harmonische Figur sorgt dafür, dass unsere Pferde sich gesund bewegen. Sagt Tierarzt Michael Oberthür. Er hat sich auf Pferde-Orthopädie, Sportmedizin und Rehabilitation spezialisiert, ist IVCA-akkreditierter Veterinär-Chiropraktiker und lebt in Plüderhausen bei Stuttgart. Kennengelernt habe ich Michael, als er in der Pferdeklinik Kirchheim/Teck meine Stute Maya 2011 am Fesselringband operierte – nach jahrelanger Fehlbelastung.

FREUNDPFERD: Wer dick ist, muss sich ständig anhören: Je mehr Gewicht du mit dir herumschleppst, desto stärker ächzen deine Knochen, Gelenke und Bänder. Vermutlich stimmt das auch für Pferde. Gibt es also mehr dicke Pferde mit Lahmheiten als dünne?

Michael Oberthür: Das könnte man vermuten, aber so einfach ist es nicht. Probleme gibt es schon, die mit dem Gewicht zusammenhängen. Aber es gibt nach meiner Beobachtung keine bestimmte orthopädische Krankheit beim Pferd, bei dem ich dem Pferdebesitzer ganz sicher sagen kann: Das kommt daher, dass Ihr Pferd zu dick und sein Bewegungsapparat überlastet ist.

Aber es ist doch bestimmt gesünder, wenn ein Pferd nicht dick ist.

Natürlich ist das gesünder. Deshalb sage ich den Besitzern in solchen Fällen auch meist, dass es besser wäre, wenn das Pferd 100 Kilo weniger hätte, um Schäden zu vermeiden.

Genauso sagst du ihnen ja, wenn ein Pferd zu mager ist, um es guten Gewissens zu reiten. Das habe ich jedenfalls mal vor einigen Jahren mitbekommen, als du das Pferd einer Einstellerin untersucht hast. „Auf diesen Rücken können Sie keinen Sattel legen, das Pferd muss erst mal an der Longe Muskeln aufbauen“, hast du damals gesagt. Das hat mir imponiert, weil es ehrlich und klar war.

In solchen Fällen bin ich auch wirklich schneller dabei zu sagen: Das Pferd darf so nicht geritten werden. Denn wenn es zu wenig Muskeln hat, um den Reiter zu tragen, sind unmittelbar Schmerzen und Schäden zu erwarten, das wäre nicht tierschutzgerecht.

Zu dünn oder zu dick: Was siehst du häufiger?

Nach meinem Eindruck sind wenige Pferde zu dünn und sehr viele zu dick. Die dünneren sind meist schon übers Reitalter hinaus. Dann hat es zumindest reiterlich keine Konsequenz, wenn sie Muskeln abbauen und etwas spitzer aussehen. Pferde im aktiven Alter sind eher zu dick, egal ob in Sport- oder Freizeitreiter-Ställen.

Das höre ich von allen Pferde-Experten in den vergangenen Jahren immer wieder. Und deshalb haben ja heute auch so viele Pferde Stoffwechselprobleme, die mit der zu hohen Energiezufuhr zu tun haben: Hufrehe, Equines Metabolisches Syndrom, Cushing.

Das alles sind Krankheiten, bei denen eindeutig Spezialwissen gefragt ist, wenn es um die richtige Therapie und Fütterung geht. Hier ziehe ich grundsätzlich Kollegen hinzu oder verweise an Experten. Denn da müssen die richtigen Leute zusammenarbeiten, um solchen Pferden zu helfen.

Was ist dabei grundsätzlich wichtig zu wissen für den Pferdebesitzer?

Der Pferdebesitzer muss wissen, wie er die Figur seines Pferds beurteilen kann. Die Leute entwickeln mit der Zeit ein Bild vom Durchschnittspferd, das sich aus Eindrücken ringsum speist. Dieses Bild, wie ein Pferd aussehen sollte, nehmen sie dann als Maßstab für ihr eigenes Pferd. Das Gefühl, wie dünn oder dick ein Pferd sein darf, verschiebt sich aber schleichend nach oben, je mehr dicke Pferde man sieht. Dick erscheint dann als Normalzustand.

Genau hier wollen wir mit den FREUNDPFERD-Experten einhaken und Reitern helfen, ihre Pferde besser einzuschätzen. Was möchtest du Reitern noch auf den Weg geben zum Thema Pferdefigur?

Wenn ich das Projekt Pferdegewicht ernst nehme, dann muss ich auf den Stoffwechsel Einfluss nehmen. Denn beim Abnehmen gilt fürs Pferd das Gleiche wie für den Reiter: Sport alleine nutzt ebenso wenig wie einfach weniger zu essen. Weil die Lösungen sehr individuell sind, verweise ich meine Kunden immer an Futterberater und Trainer, die Reiter auf dem Weg zur gesunden Pferdefigur unterstützen. Denn natürlich braucht man parallel zum Umstellen auf eine stoffwechseloptimierte Fütterung auch einen Plan für den Trainingsaufbau. Es ist ja auch eine Typ-Frage, welches Training passt, denn nicht jeder will Dressurreiter werden, um sein Pferd abzuspecken. Eine gute Methode für Muskelaufbau und Figurformung ist zum Beispiel Intervalltraining im Trab. Dafür braucht der Reiter ebenso wie für andere Methoden als Richtschnur einen Plan fürs richtige Training und Timing, um die nötige Sicherheit zu bekommen. Und er braucht auch den Mut, mal über Grenzen hinauszugehen, um einen Trainingsreiz zu setzen.

Noch mehr Infos über den Zusammenhang zwischen Figur und Gesundheit ab jetzt im Blog FREUNDPFERD:

Warum Tierarzt Michael Oberthür es fair fand, für seine Stute 15 Kilo abzunehmen

Jetzt bei FREUNDPFERD: Übungen von Physiotherapeutin Angelika Wohlfarth, die beim Formen der gesunden Figur helfen

Demnächst bei FREUNDPFERD: Michael Geitner zeigt das Intervall-Training Equikinetic

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